Tantra
An diese Stelle möchten wir einen Auszug aus einer traditionellen Betrachtung liefern. Es beleuchtet ein wenig die Herkunft des Tantra. Wir von Secret Tantra haben die etwas überladenen Begriffe entschlackt. Mehr Infos dazu findest und unter dem Beitrag Modern Tantra. Hier aber eine Beschreibung, wie sie im Umfeld von Yoga und buddhistischer Tradition verwendet wird:
Das System, welches Tantra genannt wird, wurde schon von jeher als esoterischer Geheimpfad der spirituellen Praxis betrachtet und war nicht jedem Ungeübten oder dem gemeinen Volk zugänglich. Das Geheimnis dieser Praxis scheint aus einem ungewöhnlichen Weltentwurf zu bestehen, der dem Suchenden abverlangt, die Dinge auf eine vollständig andere Art zu interpretieren und zu bewerten und der von der normalen, gewohnten Betrachtungsweise der Dinge abweicht. Die Tantra-Lehrer sagen, dass ein Suchender auf diesem Pfad der sozialen und sogar menschlichen Sichtweise entwachsen und eine übermenschliche und göttliche Sicht der Dinge entwickeln muss. Da dies jedoch vom gemeinen Menschen dieser Welt zuviel abverlangen würde, soll der Tantra auch ein verschlossenes Geheimnis sein und bleiben, dessen Türen nur mit dem Schlüssel geöffnet werden können, den allein ein befähigter Guru zur Verfügung stellt.
Philosophie
Die Philosophie von Tantra basiert auf dem Konzept der Doppelnatur aller Dinge. Nichts ist einzeln, sondern alles ist bipolar oder doppelpolig. Die sogenannte Einheit der Dinge ist nur eine Erscheinungsform, welche von dem besonderen Verhalten des Zusammentritts zweier Kräfte, nämlich Shiva und Shakti angenommen wird, man könnte auch sagen, der positiven und negativen Pole. Um diese mystische Konzeption des Universums verstehen zu können, möchten wir auf die traditionellen Lehrsätze der Puranas verweisen, Manusmriti und Mahabharata, die besagen, dass es im Anbeginne eine universelle Einzelzelle gegeben hat, die schon immer da war, bekannt als Brahmanda, und die sich dann zweiteilte. Der eine Teil wurde zum Kosmischen Mann und der andere zur Kosmischen Frau. Wenn wir wollen, können wir diese Teile auch Shiva und Shakti nennen. Selbst unsere modernen Naturwissenschaften scheinen diese Sichtweise zu bestätigen, wenn sie sagen, dass das Universum im Anfang ein einzelnes Atom war, welches sich zuerst zweiteilte und sich dann in die Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Universums aufspaltete.
Da diese zwei Teile und ihre darauffolgenden Unterteilungen eigentlich zu einem gesamten Ganzen gehören, gibt es eine natürliche Anziehungkraft, die von einem Teil zum anderen Teil ausgeübt wird. Es gibt also eine beidseitige Zugkraft zwischen den positiven und negativen Polen auf der kosmischen Ebene sowie auf der ihrer niedrigeren vielfältigen Abstammungsformen, sogar hinunter bis zum Atom. Wir wissen heute, dass auch das Atom in einer bipolaren Struktur aufgebaut ist, mit dem Nukleus im Zentrum und den Elektronen, die ihn in absolut rätselhafter Weise umkreisen. Die Reaktion der zwei verschiedenen Teile eines jeden einzelnen Organismus scheint eine doppelte Auffassung von Bewusstsein gegenüber Einheit und Zweiheit zur selben Zeit zu sein. Es kann keine Anziehung zwischen dem Positiven und Negativen geben, solange sie nicht zwei Pole formen und nicht nur ein einzelnes Etwas. Dennoch kann es andererseits ohne eine grundlegende Einheit, die in und zwischen ihnen wirkt, gar nicht diese Anziehung geben, wenn es zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Das ist also das Geheimnisvolle, das Mysterium und auch die Schwierigkeit, jenes Phänomen zu verstehen, welches als Anziehung bekannt ist und gewöhnlich in der Gemeinsprache Liebe oder Zuneigung genannt wird.
Bipolarität
Das Konzept von Shiva und Shakti repräsentiert also in seiner höchsten Essenz diese Oberste Kosmische Dualität. Man kann sich vornehmlich vorstellen, dass dort nur Anziehung und Liebe zusammenwirken, so dass Shiva und Shakti als untrennbare Aspekte einer einheitlichen Realität zu betrachten sind, welche manchmal auch Ardhanareesvara, der kosmische Androgyn, genannt wird. Auf den niedrigeren Ebenen jedoch wirkt das Prinzip der Abstoßung, was bedeutet, dass Abneigung mit Zuneigung zusammengeht, so wie auch Liebe mit Hass. Dort nimmt die bipolare Einheit eine Vielfalt an Form an, so dass ein bipolares Element nicht die Beeinflussung oder manchmal sogar nicht einmal die bloße Gegenwart solch eines anderen bipolaren Elementes tolerieren kann – aus Angst davor, seine isolierte, sich selbst bewusste bipolare Hälfte und dadurch seine Einheit zu verlieren. Dieses subtile Zusammenspiel kann in seiner groberen Art offenkundig werden, wenn z. B. eine Familiengruppe Schwierigkeiten hat, eine andere anzuerkennen und ihr die gleiche Liebe zu schenken wie der eigenen. Auf dieser Ebene können sich dann eine Gesellschaft, eine soziale Schicht und sogar eine bipolare Einzelperson nicht ohne einigen Argwohn und gewisse Vorbehalte gegenübertreten.
Den Lehrsätzen oder dem Tantra nach ist die Ursache allen Leids im Leben die bipolare Existenz, diese in zwei geteilte Einheit, weil nicht eine duale Existenz in jeder ihr gegebenen Form die Wahrheit der Dinge ist, sondern das Eins-Sein. Da die zweifache Form allen Lebens in gewisser Hinsicht eine unnatürliche Art des Lebens darstellt, gibt es immer einen ambivalenten Standpunkt zwischen dem einen und dem anderen Pol von Mögen und Nicht-Mögen, zu ein und derselben Zeit. So wird Liebe niedergehalten, wenn Hass überwiegt und Hass unterdrückt, wenn Liebe die Oberhand behält. Fakt dabei ist jedoch, dass immer beide dieser Haltungen in einem Individuum versteckt sind, aber nur einer dieser Aspekte zum Vorschein kommt, wenn oder wie die Situation es gerade erfordert. Anstelle der Zweiheit wieder die Einheit zu bekommen, das ist der Vorgang im Tantra Sadhana – wobei dies jedoch die Zielsetzung eines jeden Sadhanas ist.
Unterschied
Was ist also das Besondere am Tantra, und wodurch unterscheidet er sich von anderen Sadhanas, um dieses Ziel zu ereichen? Der Unterschied ist sehr subtil und nicht leicht wahrzunehmen. In jeder Form religiöser Praxis gibt es meistens asketische Vorschriften für die Geisteshaltung des Praktizierenden. Das Äußere solle dem Inneren und das Materielle dem Spirituellen zuliebe abgelehnt werden. Jegliches Verlangen solle als schädliches Hindernis für den Sadhana unterbunden und alle Lebensfreude als Übel betrachtet werden, welches so früh wie möglich ausgemerzt werden muss.
Nun, im Tantra sind die Dinge der Welt, die materiellen Formen der Wahrnehmung, nicht wirklich Hindernisse, und ein Verlangen nach ihnen kann nicht dadurch besiegt werden, dass man das Verlangen an sich ablehnt. Alles in dieser Welt, und sogar die ganze Welt selbst, befindet sich in einem Übergang von der Unvollkommenheit hin zur Vollkommenheit. Das Sichtbare ist ein Weg hin zum Unsichtbaren und nicht sein Hindernis. Menschliches Begehren erwächst gerade wegen jener unintelligenten Auffassung, die der Mensch gegenüber dieser Lust entwickelt hat. Er hat sozusagen Lust-Angst, seitdem ihm erzählt worden ist, dass jegliche Begierde schlecht ist und alle äußeren Dinge nur zu Knechtschaft führen.
Der Tantra sagt, dass das äussere Ding, das Objekt, kein fesselnder Zwang ist, allein schon wegen der Tatsache, dass das Objekt untrennbar mit dem Subjekt verbunden ist. Das Objekt ist der andere Pol des Subjekts, der Komplementär-Pol sozusagen. Beide Pole ergänzen sich gegenseitig. Jegliche Erfahrung steht in einer Subjekt-Objekt-Relation, und deshalb kann auch niemand nur im Geringsten daran denken, das Objekt der Begierde bewusst zu überwinden, ausgenommen, er hat vorher eine Beziehung zu dem Objekt hergestellt. Daher bedeutet die Überwindung des Objekts für uns immer wieder, in einen Teufelskreis einzutreten. Es gibt trotz aller Anstrengungen keine Möglichkeit, das Objekt loszuwerden, da schon im Bewusstsein die Gegenwart des Objekts da ist. Daher kommt also der großartige Tantra-Spruch, dass Begierde nur durch Begierde überwunden werden kann, genauso wie das Objekt nur vom Objekt bezwungen werden kann. Auch wird im Tantra gesagt, der andere Aspekt dieses Prinzips sei, “dass man sich durch das, wodurch man fällt, auch wieder aufrichten kann.” (Yaireva patanam dravyaih siddhih taireva.)
Hier tritt der Kernpunkt der ganzen Sache hinsichtlich des Tantra zutage, welche ihn deutlich von allen anderen religiösen Praktiken und Sadhana-Formen abgrenzt. Warum diese Praxis schwierig und sogar gefährlich ist, wird durch die Art der Glaubenslehre offensichtlich, obwohl man wohl einräumen muss, dass der Glaubenssatz vielleicht etwas sehr rational verfasst ist und auf Tiefenpsychologie der menschlichen Natur basiert.
Die Stufen des Tantra
Die Tantra-Lehrer wissen, dass es große Schwierigkeiten gibt, wenn es darum geht, sich diese Lehrsätze einzuprägen und zu praktizieren. Insofern wird die Kunst des Sadhana auf diesem Pfad als gestaffelte Aufwärtsbewegung während der verschiedenen Stufen des Aufstiegs betrachtet. Indem man zu einem Zustand aufsteigt, wo eben jenes Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt transzendiert oder überwunden wird, erreicht man unterschiedliche Stufen von Erkenntnis und eine Loslösung des Subjekts von der Verstrickung des Objekts.
Diese festgesetzten Stufen lauten: Vedechara, Vaishnavachara, Saivachara, Dakshinachara, Vamachara, Siddhantachara und zuletzt Kaulachara. Von diesen sieben aufgeführten Stufen sind die ersten drei für die niedrigere Kategorie der Sadhakasbestimmt, welche als Pasu Jiva (Personen, in welchen die tierische Natur vorherrschend ist) bekannt sind. Die nächsten zwei stehen für die Vira Jiva (Personen, in welchen der normale menschliche Instinkt vorherrscht) und die letzten zwei für die Divya Jiva (Personen, in welchen das göttliche Element vorherrschend ist).
Es wird geglaubt, dass die ersten drei Acharas besonders für Karma stehen. Bhakti und Jnana, der Veda, der für das Ritual steht, Vaishnava für die Hingabe und Saiva für das Wissen. Der vierte Achara, welcher Dakshina genannt wird, versucht die Ergebnisse zu bewahren, die durch das Praktizieren der ersten drei Stufen erreicht wurden. Bis zu dieser Ebene ist die Bewegung fast linear und praktisch gerade. Auf der nächsten Stufe (Vamachara) aber gibt es einen seltsamen Unterschied des Blickwinkels, denn dieser Begriff beinhaltet den Beginn der Rückwärts-Strömung der Seelen-Bewegung hin zur Realität. “Vama” bedeutet nicht “links”, wie die meisten Leute zu denken scheinen, sondern “Umkehr-Prozess”, Nivritti oder die Rückkehr – im Gegensatz zu Pravritti oder dem Vorwärts-Fließen mit der natürlichen Strömung der Sinne. Hier liegt der Beginn der allergeheimsten Praxis oder des esoterischen Aspektes des Tantra Sadhana, wo Objekte der Anziehung, des Reizes, egal welcher Art sie sind, gerade als Instrumente und Werkzeuge betrachtet werden, nicht, damit sie abgelehnt, sondern damit sie integriert und zu einem Teil des eigenen Seins gemacht werden. Die Absicht dabei ist aber, jenes Bewusstsein zu überwinden, dass sie außerhalb von einem selbst sind, als so eine Art gegenüberliegendes, entgegengesetztes Objekt oder irgendein äußerliches Etwas. Diese besondere Phase soll eigentlich auch nicht erklärt, sondern nur auf direktem Weg von einem Lehrmeister gelernt werden.
Die Natur der Dinge
Im Allgemeinen werden Reichtum, Macht und Sex als die wohl größten Hindernisse auf dem Weg zu spiritueller Vollkommenheit betrachtet. Der Tantra jedoch versucht gerade diese sich nutzbar zu machen und zu überwinden, und zwar mit genau den Mitteln, mit welchen ein ungeübter Verstand sich ins Unheil stürzen würde.
Die Pasu, Vira und Divya Bhavas entsprechen den tierischen, menschlichen und göttlichen Naturen und ziehen die groben, die feinen und die göttlichen Aspekte der Dinge in Betracht, welchen man in seinem spirituellen Leben als Gegensätze begegnen muss. Das ist das verbotene Gebiet von Tantra Sadhana, der Bereich, welchen der wahrhaft Suchende nicht offenlegt, da der gemeine Mensch ihn nicht wissen, verstehen oder aus ihm Nutzen ziehen soll. Jedes Objekt hat eine grobe, eine feine und eine göttliche Form, und jeder Sadhaka muss all diese Phasen durchlaufen. Der Tantra beharrt darauf, dass keine Stufe oder Phase als Hindernis abgelehnt werden soll, sondern von jedem Individuum selbst genommen und durchschritten werden soll. Mann kann nur ein unbekanntes Ding, ein Objekt der Angst, nicht unter seine Kontrolle bringen.
Der Tantra sagt, dass die unreinen, hässlichen und unheiligen Dinge des Lebens eigentlich Dinge sind, die fälschlicherweise nicht in ihrem wirklichen Zusammenhang gesehen wurden, nicht von ihrer eigenen besonderen Position oder vom Standpunkt der Dinge selbst her. Sie sind weder gut noch schlecht, weder schön noch hässlich und weder heilig noch unheilig. Das alles sind nur Vorstellungen, die uns unser Verstand von einem speziellen Interessens-Standpunkt aus gibt. Unser Verstand sträubt sich dagegen, in Erwägung zu ziehen, dass es auch noch andere Interessen als seine eigenen geben könnte. Das Universum muss man von vielen Blickwinkeln aus sehen, nicht nur von einem. Vom Ersteren muss man zum Letzteren steigen, mit einer systematischen und progressiven Bewegung seines ganzen Seins durch den groben, den feinen und den göttlichen Aufbau der Dinge. Am Anfang hat man Kontakt mit dem Objekt. Als nächstes denkt man es bloss noch mit seinem Verstand. Zuletzt visualisiert man es nur noch als einen Unruheherd oder Stress-Punkt in der Universellen Realität.
Die oben erwähnten Siddhantachara und Kaulachara vervollständigen den Prozess des Sadhana, wobei man in die wahre Natur der Dinge eintaucht und regelrecht übermenschlich wird. Die Aufgabe, welche die religiöse Praxis mit sich bringt, ist nicht die Ablehnung des Objektes oder des Dinges an sich, sondern die der Idee oder der Vorstellung, dass es, das Objekt, ausserhalb von einem selbst sei. Die falsche Vorstellung weckt die Begierde, nicht das Objekt oder das Ding selbst. Die Verordnung ist hier in der Tat sehr subtil.
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